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Momentum aus der Zukunft

Visionen sind Bilder einer gewollten Zukunft. Es sind kraftvolle, attraktive und lebendige Vorstellungen, die in der Gegenwart eine große Kraft entfalten können – denn es ist eine wünschenswerte und anziehende Zukunft, die damit gezeichnet wird.

Werden solche Zukunftsbilder von den Mitgliedern einer Gruppe oder einer Organisation geteilt, helfen sie beim Alignment, man zieht also gemeinsam an einem Strang in eine Richtung. Visionen erlauben ein Denken von der Zukunft zurück in die Gegenwart. Richtig eingesetzt, schaffen sie in der Gegenwart ein Momentum – eine Bewegung – in die Richtung der gewünschten Zukunft. Dieses Muster kann im Innovationsmanagement genutzt und sinnvoll eingesetzt werden. Ohne ein klares, verinnerlichtes Bild der gewollten Zukunft besteht die Gefahr, dass sich das Handeln in orientierungslosem Aktionismus erschöpft. Ohne entsprechendes Handeln kann ein Zukunftsbild aber auch leicht abheben und zur Utopie werden. Da weder Aktionismus noch Utopien erstrebenswerte Zustände sind, braucht man beides gleichzeitig: lebendige, verinnerlichte Zukunftsbilder und konkretes Handeln in der Gegenwart. Man braucht das Momentum aus der Zukunft. Bei diesem Zugang geht es aber nicht um scharfe, messbare Ziele, sondern um grobe Skizzen von dem, was in Zukunft erreicht werden soll und von dem, was die Schlüsselpersonen einer Organisation wollen. Scharfe Ziele zu formulieren, würde am Weg zu wenig Spielraum lassen. Das Neue, das sich am Weg zeigt, kann durch scharfe Ziele leicht übersehen werden, da Ziele immer nur mit dem Bewusstsein der Gegenwart formuliert werden können. Durch Zukunftsbilder wird die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen gelenkt und dadurch werden die wahrgenommenen Informationen selektiert. Eine Vision zu entwickeln und ihr zu folgen, bedeutet, ein konstruktives Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität zu erzeugen. In diesem konstruktiven Spannungsfeld kann nachhaltige Energie entstehen, die ein Unternehmen benötigt, um das zu bewegen, was es für eine wettbewerbsfähige Zukunft braucht. Für Innovationsprozesse bedeutet dieses Spannungsfeld in der Gegenwart zum Beispiel, schnelle Prototypen herzustellen oder mit ersten Experimenten zu beginnen. Häufig setzen die ersten Schritte Prozesse in Gang, setzen dabei die Energie für das weitere Vorgehen frei und ermöglichen das Neue. Mit kraftvollen Visionen aus der Krise Die Rahmenbedingungen für eine Bank waren alles andere als gut: Eine turbulente Finanz- und Wirtschaftskrise machte dem Unternehmen schwer zu schaffen. In dieser Phase wollten wir als Berater mit dem Momentum aus der Zukunft ein Gegengewicht setzen. Wir baten das Managementteam, bestehend aus Vorstand und Bereichsleitern, seine Zukunftsbilder für die Bank zu skizzieren und auf einer Seite zu beschreiben. Der Auftrag an die 20 Teammitglieder lautete folgendermaßen:

Meine Vision für unsere Bank Bitte schreiben Sie Ihre persönliche Vision auf: Wie wird Ihre Bank in Zukunft aussehen? Das konkrete Jahr können Sie selbst festlegen. Die Vision sollte erstrebenswert und herausfordernd zugleich sein. Aus heutiger Sicht können die Inhalte durchaus fantastisch oder weit hergeholt sein, aber sie sollten realisierbar sein. Bitte schreiben Sie in der Gegenwart – so, als wäre die Vision bereits Wirklichkeit geworden. Decken Sie nicht nur den eigenen, sondern möglichst alle Bereiche ab und beschreiben Sie Ihre optimale Version. Die zukünftige Realität sollte lebendig und durchaus detailliert skizziert werden. Beschreiben Sie zum Beispiel einen konkreten Tag im Jahr 20XX: Was machen Sie an diesem Tag mit welchen Werkzeugen bei welchen Kunden?

Die folgende Unternehmensklausur wurde genutzt, um die Zukunftsbilder auszutauschen. Wir baten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Abend des ersten Tages, ihre Überlegungen, Gedanken und Skizzen zur Zukunft des Unternehmens zu erzählen. Das Managementteam ging mit einem guten Gefühl aus der Übung: Die Bilder waren erstaunlich ähnlich. Am zweiten Tag der Unternehmensklausur wurden die Fragen bearbeitet, die auch in Abbildung 30 dargestellt sind: „Was müssen wir jetzt initiieren und starten, damit dieses Zukunftsbild Realität werden kann?“

Abbildung: Das Zukunftsbild als Antrieb für Maßnahmen in der Gegenwart

Diese Klausur endete mit dem einstimmigen und klaren Auftrag des Managementteams, gut ein Dutzend Experimente und Maßnahmen umzusetzen. Bei diesen Experimenten ging es auch um die Konkretisierung der Werte der Bank, um ein Betreuungssystem, das die Kunden wieder in den Mittelpunkt stellte und um eine der modernsten IT-Lösungen für das Bankgeschäft in Europa. Diese drei in der Krise initiierten Experimente stehen heute – vier Jahre später – für den Erfolg der Bank.

Dieser Artikel wurde entnommen aus: Weiss, Mario (Hrsg.) (2016): Handlungskompetenz Innovation. Zugänge und Methoden für radikale Sprünge und Innovations-Managementsysteme. Bern: Haupt


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